EU-Einlagensicherung: Vertrauen schaffen und Stabilität sichern

Interview mit Dr. Tamaz Georgadze, Geschäftsführer von Weltsparen

An den Plänen einer gemeinsamen EU-Einlagensicherung gab es massive Kritik – speziell aus Deutschland. Allerdings könnten deutsche Sparer von einer europäischen Einlagensicherung auch profitieren. So sieht es zumindest Dr. Tamaz Georgadze, Mitgründer und Geschäftsführer von Weltsparen.

Die geplante EU-Einlagensicherung (EDIS) steht derzeit stark in der Kritik. Inwieweit ist diese Kritik aus Ihrer Sicht nachvollziehbar?

Die Kritik impliziert, dass ein bislang vorbildlicher Schutz der deutschen Einlagen abgeschwächt werden würde. Dies fußt jedoch auf mehreren Fehlannahmen.

Zuerst wird gerne die Mär von gut gefüllten deutschen Töpfen erzählt. Hier hilft ein Blick auf die Fakten: In Deutschland gibt es etwas über 2 Billionen Spareinlagen. Demgegenüber stehen geschätzt 1,13 Milliarden im staatlichen Einlagentopf – das entspricht einer Quote von 0,05%. Davon ist mit der staatlichen Einlagensicherung nur ein Teil abgesichert, nämlich alle Einlagen bis 100.000 Euro pro Person und pro Bank. Aber selbst, wenn diese abgezogen werden, erreicht die staatliche Einlagensicherung in Deutschland derzeit bei weitem nicht die von der EU ausgegebene Quote von 0,8%.

Interview mit Dr. Tamaz Georgadze zur EU-Einlagensicherung
Dr. Tamaz Georgadze, Geschäftsführer von WeltSparen

Vergleichbar sind also die geschätzten 1,13 Milliarden in Deutschland mit zum Beispiel 4,4 Milliarden in Spanien oder 2,5 Milliarden Euro in Polen. In manchen gemeinhin als sicher geltenden Nachbarländern gibt es gar keine ex-ante Guthaben. Da fängt also das Auffüllen der Töpfe jetzt erst an.

Der zweite Mythos ist die Schwächung der Systeme. Das Gegenteil ist der Fall. Ohne die Europäische Union und die 4. Einlagensicherungs-Richtlinie würden die Mitgliedsländer sich mit dem Thema Stärkung des Sparerschutzes gar nicht beschäftigen. Sowohl die bisherigen EU-Richtlinien als auch der gegenwärtige Vorschlag der Kommission haben nur ein Ziel: Stärkung der Rechte der Sparer und stärkere Vorsorge für künftige Krisenfälle.

Betrachten wir also die Fakten, ist die Kritik für mich haltlos. Noch mehr: Hier wird von den Bankverbänden, deren Mitglieder gar nicht an Kundeneinlagen interessiert sind und quasi Nullzinsen für Sparguthaben zahlen, die meiste Panik geschürt. Die Motivation: Mit dem einheitlichen Schutz der Sparer in der gesamten EU wird es für Sparkassen und Volksbanken generell schwerer ihren Kunden zu erklären, weshalb sie quasi als Teil der Geschäftspolitik kaum Zinsen zahlen.

Welche Argumente sprechen für eine europaweite Einlagensicherung?

Auf den Punkt gebracht: Vertrauen schaffen und Stabilität sichern. Häufig wird als Kritik angeführt, die Einlagensicherungen – egal ob in Deutschland oder im EU-Ausland – könnten bei systemischen Krisen bzw. Ausfällen mehrerer Banken die Ansprüche der Kleinsparer nicht umgehend bedienen. Dies ist aber auch gar nicht die primäre Aufgabe. Die Aufgabe einer Einlagensicherung liegt in erster Linie darin, Vertrauen zu schaffen. Das Ziel ist, in einer kritischen Phase einen Bank-run zu vermeiden, durch welchen die Banken Liquidität verlieren und in massive Schwierigkeiten geraten würden. Eine gute Einlagensicherung sollte also niemals wirklich bei systemischen Krisen massiv zum Einsatz kommen müssen, sondern nur bei einzelnen, kleinen und nicht systemrelevanten Bankausfällen die Sparer schützen. Für eine Schieflage größerer Dimension wurden zur Rekapitalisierung bzw. Abwicklung von Banken bereits andere Mechanismen und Instrumentarien geschaffen, z. B. der Bankenabwicklungsfonds oder der ESM.

Der verbesserte Schutz in der gesamten EU hat zum Ziel Vertrauen zu schaffen und damit die Stabilität des Sektors zu verbessern. Die Anleger in der Peripherie mögen eine stärkere Aufwertung des Schutzes erfahren, jedoch werden gerade die Banken in diesen Randgebieten entsprechend der Risikogewichtung, den höchsten Beitrag leisten. Das gestärkte Vertrauen und die verbesserte Stabilität des Bankensektors hilft am Ende den Anlegern und den Steuerzahlern in der gesamten EU, nicht nur in der Peripherie, denn dadurch werden erst die teuren Bankenrettungen schlicht verhindert.

Eine Kernfrage: Wie und wo hat der Sparer hierzulande Vorteile von einer einheitlichen EU-Einlagensicherung?

Jeder Steuerzahler in Deutschland profitiert davon, wenn Banken-Rettungsmaßnahmen durch Steuergelder verhindert werden können.

Darüber hinaus sind viele deutsche Sparer schon heute Kunden bei Banken im europäischen Ausland – und es werden weiterhin mehr. Gerade aufgrund der niedrigen Zinsen, die es in Deutschland gibt, wagen immer mehr Sparer diesen Schritt und stellen fest, dass es zum Beispiel über Zinsplattformen wie Weltsparen schnell und einfach funktioniert. Laut Deutscher Bundesbank sind inzwischen mehr als 180 Milliarden Euro bei ausländischen Banken angelegt.

Die neue Richtlinie über Einlagensicherungssysteme sieht unter anderem einen EU-weiten Einlagenschutz, einen verbesserten Schutz für vorübergehende hohe Einlagen – z. B. nach dem Verkauf von Privateigentum –, eine schnellere Auszahlung sowie die Vorfinanzierung der nationalen Fonds durch Beiträge des Bankensektors vor. Insgesamt verbessert sich die Situation der Sparer in Europa zukünftig ohnehin.

Die echte europäische Einlagesicherung würde weitere Vorteile bringen: Neben dem EU-weiten Schutz wird dann auch zwangsweise der Prozess der Beantragung in der EU vereinheitlicht und aus der Sicht der deutschen Sparer mit Guthaben im Ausland vielfach vereinfacht.

Welche Sicherheitsmechanismen können verhindern, dass Banken, die von einer höheren EU-Absicherung profitieren, unverantwortlich handeln?

In der Vergangenheit wurden Schwierigkeiten in der Regel in den großen Bankenmärkten ausgelöst, die eine hohe "Exposure"" zu internationalen Finanzmärkten und einen hohem Anteil von Investment Banking hatten. Inzwischen stellen viele internationale Regelwerke, insbesondere Basel III Kapitalvorschriften, SiFi- und NSFR-Regelungen, erhöhte Anforderungen an die Banken, die in diesen Bereichen tätig sind.

Auf europäischer Ebene liegen diese Mechanismen bei der Bankenunion. Speziell in Kerneuropa hat man sich nach den teuren Bankenrettungen der

Finanzkrise Gedanken über die Bankenabwicklung und einheitliche Aufsicht gemacht. Die Richtlinie (2014/59/EU) ist ein Kernstück des Rechtsrahmens, der geschaffen wurde, um den Finanzsektor nach der Finanzkrise sicherer zu machen. Die Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD) stattet die nationalen Behörden mit den nötigen Instrumenten und Befugnissen aus, um Auswirkungen aufgrund einer Schieflage oder des Ausfalls von Banken bzw. großen Wertpapierfirmen in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU zu mindern und zu steuern. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass solche Vorschriften in allen Mitgliedstaaten Anwendung finden.

Diese Vorschriften gelten unabhängig von der verbesserten Einlagensicherung. Daher ist mir ist auch schleierhaft wie der verbesserte Kundenschutz und höhere Beiträge für die Einlagensicherungs-Töpfe zu einem unverantwortlichen Handeln der Banken führen sollen. Da fehlt es eindeutig an Kausalität. Zudem wird die Liquidität in den Märkten von der EZB und weiteren Zentralbanken in Europa den Banken zu Nullzinsen zur Verfügung gestellt. Dies ist auch ohne eine verbesserte Einlagensicherung der Fall.

Sparkassen sowie Volks- und Genossenschaftsbanken müssten künftig ebenfalls in die EU-Einlagensicherung einzahlen – schwächt der EU-Topf nicht die bestehenden Institutssicherungen?

Genau das Gegenteil wird meiner Meinung der Fall sein: Der Schutz der Sparkassen-Kunden wird verbessert. Die freiwillige Institutssicherung darf und soll nach dem Willen der EU Kommission fortbestehen. Zusätzlich tritt die verbesserte EU-weite Sicherung in Kraft.

Auch für die Institutssicherung gilt, dass sie am besten funktioniert, wenn sie nicht zum Einsatz kommt. Mir ist kein Fall bekannt, in dem diese Sicherung gegriffen hätte. In der Regel werden Schieflagen der Institute über Fusionen mit Nachbarsparkassen gelöst.

Aber nicht nur Sparkassen werden durch Fusionen aufgefangen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Ebene der Landesbanken, die durch staatliche Subventionen der Anteilseigner oder Sparkassenverbände einspringt. Die deutschen Landesbanken, ein Teil des Sparkassen-Sektors, erhielten dadurch alleine in den Jahren 2008 und 2009 rund 21,5 Milliarden Euro. Kürzlich mussten weitere Garantien in Milliarden-Höhe für HSH Nordbank von Land Hamburg freigegeben werden. Die Kosten für den Steuerzahler sind leider noch nicht absehbar.

"Wir müssen die Verbindung zwischen Banken und Staaten lösen", lautet eine Aussage von Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission. Eine schwierige Vorstellung für deutsche Sparer. Müssen wir künftig lernen, europäischer zu denken?

Im Kern geht es bei dieser Aussage darum, dass Gewinne nicht weiterhin privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Um diesen Schritt zu gehen, muss es eine europäische Gesetzgebung geben, da die Finanzmärkte zu stark vernetzt sind – da helfen nationale Gesetze nicht.

Gerade Deutschland wird davon profitieren, selbst wenn wir uns manchmal dazu zwingen müssen europäischer zu denken. Deutschland ist nicht nur Dank der vorbildlichen Fertigung von Autos und Maschinen Export-Weltmeister, sondern auch Weltmeister beim Export von Kapital. Das Vermögen der privaten Haushalte und Unternehmen kann schlicht nicht in Deutschland angelegt werden. Das ist mittlerweile seit Jahrzenten der Fall. Deshalb kann es nicht in unserem Sinn sein, Spareinlagen im Ausland schlecht zu reden oder gezielt gegen eine Verbesserung der Stabilität der Banken in Europa zu arbeiten. Sollte eine deutsche Bank diesen Weg einschlagen, um sich zu differenzieren, so ist es eine sehr kurzfristige Sichtweise, die in eine Sackgasse führen wird.


Hintergrund
Ab 2017 sollen die Banken in der Europäischen Union in einen gemeinsamen EU-Sicherungsfonds einzahlen, der nach 2024 die nationalen Einlagensicherungsfonds als gesetzliches Sicherungssystem ersetzt. Zwischen 2017 und 2020 agiert der EU-Fonds nach dem Willen der EU-Kommission als Rückversicherungssystem, sofern die nationalen Töpfe nicht ausreichen. Bis 2024 erfolgt dann eine gemeinsame Haftung aus nationalen und europäischen Sicherungseinrichtungen. Alle Euro-Staaten wären verpflichtet, die Pläne umzusetzen – vorausgesetzt, eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten stimmt für eine Umsetzung.
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