Interview mit Georg Schürmann, Geschäftsleiter der deutschen Niederlassung der Triodos Bank N.V.

"Wir wollen die Wirtschaft ein Stück menschlicher gestalten"

Der Trend zu ethischen und ökologisch-nachhaltigen Finanzanlagen hält an, trotz niedriger Zinsen – Interview mit Georg Schürmann, Geschäftsleiter der deutschen Niederlassung der Triodos Bank N.V.

Was unterscheidet die Triodos Bank von konventionellen Banken?

Georg Schürmann: Zunächst finanzieren wir prinzipiell nur Projekte aus dem Nachhaltigkeitsbereich. Wichtig ist, dass die entsprechenden Projekte immer einen Mehrwert für die Gesellschaft bzw. den Menschen generieren. Ganz konkret finanzieren wir z. B. "erneuerbare Energien" und im sozialen Bereich Altenpflegeheime. Darüber hinaus sind wir in der Bildungs- und Schulfinanzierung aktiv.

Georg Schürmann, Geschäftsleiter der Triodos Bank
Georg Schürmann, Geschäftsleiter der Triodos Bank

Ein weiterer Aspekt ist die Transparenz. Wir könnten sagen, dass wir – im rechtlich sicheren Rahmen – regelmäßig das Bankgeheimnis verletzten, da wir unsere Kreditnehmer veröffentlichen. Warum? Weil es nach unserem Verständnis nicht unser Einsatz ist, sondern das Geld unserer Kunden. Diese Menschen haben ein Anrecht darauf, ganz konkret zu wissen, in welchen Kredit ihre Einlage fließt. Ein weiterer Punkt: Wie zahlen keine Boni, sondern nur Festgehälter. Unsere Mitarbeiter kommen hierher, weil es ihnen Spaß macht und sie einen Beitrag leisten wollen, die Wirtschaft ein Stück menschlicher zu gestalten.

Nachhaltige Finanzprodukte, mit denen "Vorhaben aus den Bereichen saubere Technologien, erneuerbare Energien und Unternehmen aus CO2-armen Sektoren" mit Kapital versorgt werden. Das könnte in gleicher Form in der Unternehmensphilosophie der Triodos Bank verankert sein, stammt in diesem Fall aber von der Deutschen Bank. Müssen Sie sich ihre Nische künftig mit globalen Finanzinstituten teilen?

Georg Schürmann: Wir beobachten den Trend, dass viele Finanzinstitute entsprechende Produkte auflegen. Zum Beispiel kennen wir das "Klimasparen" von Sparkassen oder das Phänomen der sogenannten "grünen Anleihen". Allerdings ist das Wachstum dieser Produkte für uns ein Beleg für den Bedarf. Vergleichbar sind vielleicht ähnliche Entwicklungen aus dem Bio-Lebensmittelhandel. Gab es Bio-Produkte früher nur vereinzelt in speziellen Läden, findet sie der Kunde heute praktisch in jedem Supermarkt. Die Spezialisten verschwinden aber nicht. Im Gegenteil: Sie machen einen Laden nach dem anderen auf. Von daher denken wir, dass mehr nachhaltige Finanzprodukte eher zum Wachstum dieses Marktsegments beitragen.

Wie sieht der typische Kunde der Triodos Bank aus?

Georg Schürmann: Den typischen Kunden gibt es wohl nicht. Allerdings sind es in der Regel Menschen, die generell einen nachhaltigen Konsum pflegen, d. h. die Biolebensmittel kaufen oder Ökostrom nutzen. Der Bildungsgrad ist ebenfalls vergleichsweise hoch. Dann haben wir einige Stiftungen, die ihr Geld bei uns anlegen, da der Stiftungszweck und die nachhaltige Ausrichtung der Kapitalanlage im Einklang stehen sollen.

Bei einem Blick auf die Sparzinsen kann der Eindruck entstehen, dass sich eine ökologisch-nachhaltige Anlage nur bedingt lohnt. Wie wirkt sich die aktuelle Niedrigzinspolitik auf Ihr Geschäft aus?

Georg Schürmann: Im Prinzip treten zwei Effekte ein. Zunächst ist die Zinspolitik der europäischen Zentralbank für alle Banken, die stark vom Zinsgeschäft leben, nicht einfach. Die Zinsmarge verengt sich – das gilt auch für uns als Nachhaltigkeitsbank. Der zweite Effekt der Niedrigzinsphase ist, dass sie Menschen zum Nachdenken anregt. Welche wichtigen Gründe sprechen neben der finanziellen Rendite für eine Geldanlage? Für viele Kunden ist Nachhaltigkeit eine Antwort auf diese Frage.

Was würden Sie empfehlen, wenn der Kunde eine Anlage wünscht, die zumindest ein wenig Rendite abwirft?

Georg Schürmann: Das kommt auf den Kunden an. Die richtigen Fragen lauten: Was passt zu mir? Wie sehen die Anlageziele aus? Erst dann lässt sich entscheiden, ob es ein Tagesgeld oder ein längerfristiges Sparprodukt wie z. B. unser Wachstumssparen sein soll. Oder alternativ eine nachhaltige Fondsanlage, welche selbstverständlich ein ganz anderes Rendite-Risiko-Profil hat.

Ihre Anlagen verfügen über einen ethischen bzw. ökologischen Anspruch?

Georg Schürmann: Unsere Investmentfonds werden nach strengen Nachhaltigkeitskriterien gemanagt. Vorab gibt es eine ziemlich lange Liste an Kriterien, anhand derer wir einen Großteil des Investmentuniversums "cleanen". Was übrig bleibt, steht dann quasi für das Asset-Management zur Verfügung. Unseren Sparprodukten steht – wie gewohnt – das Kreditgeschäft gegenüber. Hier ist es so, dass wir uns den Kreditkunden ganz genau ansehen. Das schließt einen Besuch vor Ort ein. Wir machen das nicht nur vom Schreibtisch aus.

Ist der Wunsch nach einer höheren Rendite "unethisch"?

Georg Schürmann: Nein, auf keinen Fall. Bei einer Kapitalanlage sollten jedoch noch mehr Dimensionen betrachtet werden. Für uns ist z. B. die gesellschaftliche Wirkung immens wichtig. Für den Kunden lautet die Frage deshalb: Ist es relevant, ob ich in erneuerbare Energien investiere oder ist es egal, wohin das Geld schlussendlich fließt? Zudem empfiehlt sich, Aspekte wie das Rendite-Risiko und die Liquidität zu beleuchten. Unterm Strich muss der Kunde abwägen, wie sein Anlageprofil aussehen soll und die Ziele entsprechend definieren.

Wenn es um die Eigenkapitalrendite der Bank geht, sehen wir, dass es im aktuellen Umfeld bestimmte Grenzen gibt. In den letzten Jahren hatten wir eine Eigenkapitalrendite von stabil über vier Prozent.

Georg Schürmann: Wenn jemand versucht, immer die höchsten Renditen zu erhalten, die es am Markt gibt, dann ist er bei uns mit Sicherheit falsch. Wenn der Kunde allerdings sagt, dass es ihm wichtig ist, zu wissen, was mit seinem Geld passiert und einen verlässlichen, stabilen Partner zu haben – dann ist er bei uns richtig.

Apropos Eigenkapital – Wie sehr treffen Sie die gestiegenen Anforderungen?

Georg Schürmann: Praktisch gar nicht. Als die Kriterien für Basel III veröffentlicht wurden, hatten wir diese bereits erfüllt. Die Kernkapitalquote der Triodos Bank pendelt aktuell zwischen 18 und 19 Prozent. Wir liegen insofern weit über den verlangten Standards.

Ein Konzept, für das sich viele Menschen derzeit begeistern, ist Crowdinvesting. Ist dies ein Thema für die Triodos Bank?

Georg Schürmann: Auf jeden Fall ist das Thema spannend, wobei wir momentan keine Projekte in dieser Hinsicht planen. Aber es ist eine Entwicklung, die wir wahrnehmen und die gar nicht so weit von unserer Philosophie weg ist.

Interview: - 11.05.2015

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