Warum Zertifikate kein Tagesgeldersatz sind
Tagesgeld als Zugpferd für andere Finanzprodukte zu nutzen, gehört inzwischen zum guten Ton. Sobald sich Geldanlagen mit einem Zinssatz etikettieren lassen, ist der Vergleich zum beliebten Tagesgeldkonto nicht weit. Dass in dem Zuge Äpfel mit Birnen verglichen werden und Verbraucher statt eines sicheren ein teils extrem riskantes Produkt abschließen sollen, geht dabei meist unter. Bestenfalls läuft alles rund. Oder aber es kommt das böse Erwachen: Denn Zertifikate und Co. sind keine Alternative zum Tagesgeld.
Tagesgeld - einfach und sicher
Mit steigenden Zinsen gewinnt der Tagesgeldmarkt an Fahrt. Das lässt sich auf drei Gründe herunterbrechen:
- Tagesgeld ist einfach.
- Tagesgeld ist sicher.
- Tagesgeld ist planbar.
Aspekte, die der Mehrheit der Sparer entgegenkommen. Sie möchten sich nicht mit komplizierten Anlageprodukten auseinandersetzen, sondern Geld so einfach wie möglich investieren und bestenfalls wissen, was am Ende des Tages unter dem Strich steht. Deshalb sind Verbraucher bei steigender Zinskurve auch bereit, den einen oder anderen Euro mehr auf die hohe Kante zu legen.
Anleihen und Zertifikate
Zinsversprechen bei Anleihen
Das machen sich clevere Bankberater und Finanzinstitute zunutze. Sie stellen 4,0 Prozent Tagesgeldzinsen im Jahr kurzerhand dem Zinsversprechen eines Zertifikats gegenüber. Da stehen dann plötzlich 10,0 und mehr Prozent im Prospekt. Das ist verlockend. Denn Zinsen sind doch gut und je mehr, desto besser. Oder nicht?
Zig Bedingungen und Regeln
Lässt man den Blick jedoch nur auf dem Zinssatz ruhen, übersieht man die vielen „wenn“ und „dann“ in den Vertragsbedingungen. Denn eines sind Zertifikate nicht: einfach. Es handelt sich um strukturierte Finanzprodukte. Diese Umschreibung klingt vertrauenswürdig, lässt aber auch viel Spielraum. Oder anders ausgedrückt: Für Zertifikate gibt es kein einheitliches Strickmuster, sondern eine Vielzahl von Konstrukten, die ganz unterschiedlich ausgeprägt sind. Die Stiftung Warentest hat bereits im Jahr 2009 Produkte mit mehr als 200 Bedingungen ausmachen können.(1)
Geld einzahlen – Zinsen erhalten
Bei einem Tagesgeldkonto muss man sich über derlei „Feinheiten“ keine Gedanken machen. Wenn für sechs Monate beispielsweise 4,0 Prozent Zinsen geboten werden, gibt es ein halbes Jahr lang 4,0 Prozent. Punkt. Danach greift der variable Zinssatz. Gutgeschrieben werden die Zinsen monatlich, quartalsweise, halbjährlich oder jährlich und über das Geld kann man jederzeit verfügen. So einfach ist Tagesgeld.
Wetten auf den Aktienkurs
Zertifikate hingegen – rechtlich handelt es sich um Anleihen oder (Inhaber)Schuldverschreibungen – warten mit weit mehr Details auf. Das lässt sich an einer „simplen“ Aktienanleihe verdeutlichen:
Eine Bank gibt eine auf der A-Aktie basierende Anleihe heraus. Der Nenn- oder Nominalbetrag sind 1.000 Euro, der aktuelle Kurs der Aktie 100 Euro. Als Basispreis für die A-Aktie zum Laufzeitende werden ebenfalls 100 Euro vereinbart. Zur Sicherheit gibt es einen Puffer von 20 Prozent. Versprochen werden 10,0 Prozent Zinsen. Die Laufzeit: ein Jahr.
Das Kleingedruckte: Der Nennbetrag wird in voller Höhe zurückgezahlt, wenn der Aktienkurs zum Laufzeitende den Basispreis samt Sicherheitspuffer nicht unterschritten hat. Im genannten Beispiel wären das 80 Euro. Anderenfalls erhalten Anleger anteilig A-Aktien.
So komplex sind Zertifikate
Daraus ergibt sich eine Reihe möglicher Szenarien.
- Die Aktie steht bei 100 Euro: Es gibt 1.000 Euro plus Zinsen.
- Die Aktie steht bei über 100 Euro: Es gibt 1.000 Euro plus Zinsen – keine Beteiligung an den Kursgewinnen.
- Die Aktie steht bei 80 Euro: Es gibt 1.000 Euro plus Zinsen. Der Sicherheitspuffer hat einen Verlust verhindert.
- Die Aktie steht bei 75 Euro: Es gibt 750 Euro in Aktien und 100 Euro Zinsen. Man hat Geld verloren.
Dreht man bei einer solchen Aktienanleihe an nur zwei Stellschrauben, hat man ein völlig anderes Konzept. Etwa wenn auch die Zinsen entfallen, sollte der Basiswert unterschritten werden, oder der Sicherheitspuffer nur zehn Prozent beträgt.
Sehr vereinfacht ausgedrückt: Anleger wetten auf einen Aktienkurs und werden, wenn sie richtig liegen, mit Zinsen belohnt. Hat man aufs falsche Pferd gesetzt, ist ein Teil des Kapitals weg.
Für viele zu kompliziert
Das heißt Sparer und Anleger, bei denen ein ETF-Sparplan bereits das höchste der Gefühle hinsichtlich der Geldanlage in Wertpapier ist, sind mit einem Zertifikat schlichtweg überfordert. Hier greift die Regel:
Investiere nur in Produkte, die Du auch verstehst.
Das dürfte bei Zertifikaten nur auf wenige Verbraucher zutreffen. Trotzdem wird fleißig für Anleihen geworben.
Unterschiedliche Rahmenbedingungen
Doch nicht nur das Konstrukt eines Zertifikats an sich unterscheidet sich merklich von einem Tagesgeldkonto. Es sind auch die Rahmenbedingungen, auf die man achten muss.
Tagesgeld ist weitaus flexibler als ein Anleiheprodukt und hat eine geringere Hürde. Ob man nun einen Euro einzahlt, monatlich 100 Euro oder einmalig 10.000 Euro ist bei einem Tagesgeldkonto völlig unerheblich. Zertifikate indes werden in der Regel ab 1.000 Euro angeboten. Das ist ein Betrag, auf den man bei Wertpapieranlagen verzichten können muss. Zwar besteht die Option, Zertifikate während der Laufzeit zu verkaufen. Damit verliert man jedoch den Anspruch auf Zinsen, muss meist Gebühren zahlen und geht oft mit einem Minus aus dem Rennen.
Kein Verlustrisiko bei Tagesgeld
Solche Verluste muss man bei Tagesgeld nicht befürchten. Wer zehn Euro einzahlt, kann sich später zehn Euro plus Zinsen wieder auszahlen lassen. Und das jederzeit. Einfacher geht es nicht. Einzig zu berücksichtigen ist der Zinsturnus. Werden die Zinsen monatlich gutgeschrieben, kann man sie rein theoretisch schon im Folgemonat „abgrasen“. Gibt es die Zinsen nur einmal jährlich, muss man warten – kann aber über den Anlagebetrag verfügen.
Sicherheit bei Tagesgeld und Zertifikaten
Entscheidend aber ist das Thema Sicherheit. Tagesgeld gilt bis zu 100.000 Euro als absolut sicher. So hoch ist innerhalb der EU die Sicherungsgrenze für Bankeinlagen – teils, wie in Deutschland, wo es eine zusätzliche freiwillige Einlagensicherung gibt, auch höher. Sollte die Bank nun also bankrottgehen, sind bis zu 100.000 Euro geschützt und werden binnen weniger Tage erstattet. Das kostet Nerven, letztlich aber kein Geld.
Da es sich bei der Investition in ein Zertifikat nicht um eine Einlage handelt, entfällt dieser Sicherungsmechanismus. Inhaberschuldverschreibungen sind nichts anderes als ein Darlehen an die ausgebende Bank. Kann die Bank ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, geht man leer aus. Man spricht hier vom sogenannten Emittentenrisiko. Nur zum Vergleich und der Vollständigkeit halber: Fonds und ETFs werden in der EU als Sondervermögen ebenfalls geschützt, allerdings nur zu 90 Prozent und bis maximal 20.000 Euro je Anleger.
Merkmal | Tagesgeld | Zertifikat |
---|---|---|
Zinsen | Als Bonuszins zeitlich begrenzt, als variabler Zins gültig bis zur nächsten Anpassung. Zinsen werden ohne Bedingungen gezahlt. | Zinszahlungen sind stets an Bedingungen geknüpft – das heißt, die Zinsen sind nicht garantiert. Mögliche Verluste lassen sich auch durch die Zinsen nur bedingt ausgleichen. |
Regelwerk | Geld einzahlen – Zinsen erhalten. Die einfachste Form der Geldanlage. | Zertifikate oder Anleihen gibt es in zig Ausprägungen, mit teils sehr komplizierten Konstrukten und einer Vielzahl von Bedingungen. |
Risiken | Bis 100.000 Euro keine. | Emittentenrisiko: Geht die Bank pleite, hat man keinen Anspruch auf Erstattung des Kapitals. |
Verfügbarkeit / Laufzeit | Guthaben und Zinsen sind jederzeit verfügbar. | Zertifikate können zwar jederzeit an der Börse gehandelt oder zurückgegeben werden – das geht jedoch mit Gebühren und einem möglichen Verlustrisiko einher. Die gängigste Laufzeit: zwölf Monate. |
Mindestanlage | Meistens ein Euro. | In der Regel ab 1.000 Euro. |
Geeignet für | Jeden. | Erfahrene Anleger. |
Fazit
Die Verlustrisiken und die Komplexität sind nur zwei Gründe, warum Zertifikate keine Alternative zum Tagesgeld sind. Hier gilt: Schuster, bleib bei Deinen Leisten. Nur weil Zinsen versprochen werden, handelt es sich nicht um etwas in der Art von Tagesgeld. Tagesgeld ist Tagesgeld und Zertifikate sind Zertifikate. Jedes Produkt hat seine Zielgruppe, seine Vor- und Nachteile. Für Zertifikate bewahrheitet sich die Aussage, dass man hohe Zinsen mit einem erhöhten Risiko bezahlt. Grundlegend schlecht sind Zertifikate deshalb nicht. Man muss nur verstehen und wissen, worauf man sich einlässt.
Quellen
(1) Stiftung Warentest: Wo bei Zertifikaten gern getrickst wird.
Eine Übersicht empfehlenswerter Tages- und Festgeldkonten finden Sie in unseren Vergleichen:
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