Rezession
Nach Jahren ungebremsten Wachstums macht seit dem Auftreten des Coronavirus in Deutschland wieder das Wort Rezession die Runde. Was genau hat es mit einer Rezession auf sich, was sind die Auswirkungen und welche Lösungen gibt es. Lesen Sie hier, was auf Deutschland zu kommen könnte, und wie man gegensteuern kann.
Das Wichtigste auf einen Blick:
- Von einer Rezession ist die Rede, wenn das Wirtschaftswachstum zwei Quartale hintereinander sinkt.
- Erste Anzeichen sind nachgebende Aktienkurse und der Einstieg in Kurzarbeit oder Abbau von Überstunden.
- Die Zinsstrukturkurve wird als Indikator oft übersehen.
- Der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes sieht den Staat bei einer Rezession als Auftraggeber für wirtschaftliche Aktivitäten in der Pflicht.
Die Definition der Rezession
Die Volkswirtschaftslehre kennt vier Phasen im Wirtschaftszyklus:
Eine Rezession an sich ist noch keine Katastrophe. Die Volkswirtschaft spricht von einer Rezession, wenn zwei Quartale hintereinander ein Absinken der Wirtschaftsleistung zu beobachten ist. Hier ein Beispiel der Wirtschaftsleistung der vergangenen Jahre:
Jeder Verbraucher hat diese Phase mit durchlebt und kann sich vermutlich nicht daran erinnern, dass es im zweiten Quartal 2019 wesentlich schlechter war als im ersten oder dritten Quartal. Als Bezugsgröße gilt das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das BIP wiederum gibt den geschaffenen Wert an Produktion und Dienstleistung wider.
Die Merkmale einer Rezession
Eine Rezession macht sich durch einen Rückgang der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen bemerkbar. Börsenkurse geben nach, Zinsen bleiben niedrig, Löhne stagnieren. Eine steigende Zahl an Konkursen, steigende Kurzarbeit und Abbau von Überstunden gelten ebenfalls als Auswirkungen einer Rezession.
Die Volkswirtschaften bewegen sich in dem oben genannten Zyklus. Der Hochkonjunktur folgt in der Regel der Abschwung. Greifen die politisch eingeleiteten Maßnahmen, kann eine Depression vermieden werden und es kommt wieder zu einem Anstieg der Wirtschaftsleistung. Andernfalls kommt es zu einer Stagnation auf niedrigem Niveau.
Die Ursachen einer Rezession
Die Ursachen einer Rezession können vielfältig sein. Resultiert die Ursache aus dem Wirtschaftssystem selbst, spricht man von einer endogenen Rezession. Im Jahr 2007 war der Auslöser unter anderem der Zusammenbruch des US-Hypothekenmarktes. Die US-Banken vergaben bei sehr niedrigen Zinsen Hypothekenkredite an Personen, die eigentlich keinen Kredit hätten erhalten dürfen. Die Folge waren geplatzte Hypotheken, die wiederum die weltweit miteinander vernetzten Banken ins Taumeln brachten.
Heute ist der Auslöser einer mögliche Rezession ein Virus. Da ein Virus nicht systemimmanent ist, ist in diesem Fall die Rede von einer exogenen Rezession. Ganze Länder erleben einen „Shut-down“, wichtige Wirtschaftszweige kommen zum Erliegen. Die Region Veneto trägt fünf Prozent zum italienischen Bruttoinlandsprodukt bei. Dies allerdings nicht durch die Industrie, sondern durch Tourismus. Die Hotels und Restaurants sind auf nicht absehbare Zeit geschlossen, alleine in der Stadt Venedig 10.000 Mitarbeiter gekündigt oder in Kurzarbeit.
Die Lombardei als Wirtschaftsmotor Italiens steht still. Gewaltige Verdienstausfälle sind die Folge. Menschen, die mit einer Ausgangssperre belegt sind, gehen nicht shoppen oder in Restaurants - ein Virus als Ursache einer Rezession.
Die Auswirkungen einer Rezession
- Arbeitsmarkt
- Kreditnachfrage
- Immobilienmarkt
- Börse
- Zinsen
Der Arbeitsmarkt
Eine Rezession trifft den Arbeitsmarkt mit voller Wucht und führt dazu, dass auch andere Bereiche wie Kreditnachfrage oder der Immobilienmarkt in direkte Mitleidenschaft gezogen werden.
Ein Unternehmen mit stagnierenden Absatzzahlen produziert weniger. Die Folge sind Kurzarbeit und Entlassungen. Für die Haushalte bedeutet dies ein geringeres Einkommen. Daraus resultiert wiederum eine geringere Konsumgüternachfrage. Die geringere Nachfrage wiederum bedeutet weiter stagnierende Absatzzahlen – der Teufelskreis ist geschlossen.
Eine Rezession bedeutet nicht, dass Unternehmen „halt mal weniger Gewinne machen“. Sie bedeutet vielmehr, dass in erster Linie die privaten Haushalte durch Arbeitsplatzverluste betroffen sind.
Die Kreditnachfrage
Wer weniger Geld verdient, sei es als Unternehmer, sei es als Angestellter, verfügt über geringere Liquidität. Diese aber wiederum ist Voraussetzung, um Darlehen bedienen zu können. Schrumpft das Haushaltsnettoeinkommen, bleibt weniger Geld, um Güter mittels Kredit finanzieren zu können. Die Folge ist eine geringere Nachfrage, geringere Produktion … den Rest kennen Sie.
Eine liquiditätsbedingte rückläufige Kreditnachfrage bei Unternehmen führt dazu, dass Investitionen ausbleiben. Investitionen wiederum bedeuten eine Nachfrage in einem anderen Wirtschaftsbereich.
Die Privathaushalte kaufen keine neuen Fernseher mehr, der Fernsehhersteller benötigt keine neue Produktionsanlage und damit auch keinen Kredit, die Nachfrage im Maschinenbau bricht ein.
Für die Banken bedeutet eine mangelnde Nachfrage nach Krediten, dass sie zunächst versuchen, durch niedrigere Zinsen das am Markt abzuschöpfen, was noch an Nachfrage vorhanden ist. Allerdings schrumpfen bei gleichbleibenden Refinanzierungskosten damit die Margen der Geldhäuser. Die aktuelle Situation in Bezug auf die historisch niedrigen Zinsen zeigt allerdings, dass die Kreditinstitute durchaus Wege finden, die schrumpfenden Margen aus dem Kreditgeschäft zu kompensieren.
Der Immobilienmarkt
Im Fokus des Immobilienmarktes stehen zunächst die privat genutzten Immobilien. Bedingt durch die Finanzkrise im Jahr 2007 erlebte der Immobilienmarkt in Deutschland einen nie vorher da gewesenen Boom. Die Preise sind in einigen Regionen utopisch hoch, einige Experten warnen vor einer Blase.
Nehmen wir als Beispiel das Rhein-Main-Gebiet. In der Stadt Bad Soden werden aktuell (März 2020) Wohnungen „für junge Familien“ mit Quadratmeterpreisen zwischen 9.000 Euro und 10.000 Euro angeboten – ein völliger Irrsinn. Angenommen, ein Mitarbeiter aus der Bankenmetropole Frankfurt am Main erwirbt eine solche Wohnung und finanziert mit möglichen 0,8 Prozent. Es kommt zu einer Rezession. Diese führt dazu, dass sich die Bank über den geplanten Mitarbeiterabbau hinaus von Mitarbeitern trennt.
Die Folge ist, dass sich der junge Mann, da arbeitslos, von der Wohnung trennen muss. Da er aber nicht der Einzige ist, der rezessionsbedingt sein Wohneigentum veräußern muss, dreht sich das Blatt. Der extrem hohen Nachfrage früherer Jahre steht jetzt ein Überangebot von Immobilien gegenüber. Die Preise geben im besten Fall nur nach, ohne gleich zu kollabieren.
Die Folge ist auf jeden Fall, dass der ehemalige Einstandspreis nur schwer bei Verkauf erzielt werden kann. Bei einem Kaufpreis von rund einer Million Euro dürfte die Eigenkapitaldecke auch eher dünn ausgefallen sein. In der Folge droht das Gleiche, was sich im Jahr 2007 in den USA ereignet hat: Der Immobilienmarkt bricht zusammen, Hypotheken werden nicht mehr bedient, Banken kollabieren.
Kalkulierte Mieteinnahmen bei Neubauten, deren Gestehung vor der Rezession begann, sind ebenfalls nicht mehr zu realisieren, Finanzierungskonzepte brechen zusammen. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist so sehr auf Krediten aufgebaut, wie das Immobiliengeschäft.
Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um den Neubau einer Plattensiedlung handelt oder den Erwerber einer selbst genutzten Zwei-Zimmer-Wohnung.
Wohnungsbaugesellschaften kalkulieren bei der Planung auch mit den künftigen Mieteinnahmen. Sind dies aufgrund des Arbeitsmarktes nicht mehr realisierbar, drohen massive Einbußen. Die Mietausfälle auf andere Mieter umzulegen, ist durch die Mietpreisbindung und Vergleichsmiete nicht möglich.
Die Börse
Die Börse analysiert nicht nur den aktuellen Stand eines Unternehmens, sondern auch die Zukunftserwartungen. Üblicherweise deuten langsam nachgebende Börsenkurse auf eine sich anbahnende Rezession hin. Ebenso können während einer Rezession anziehende Kurse ein Indiz auf ein erneutes Wirtschaftswachstum sein.
Da während einer Rezession nicht mit allzugroßen Gewinnen und damit soliden Dividenden zu rechnen ist, liegt es auf der Hand, dass die Kurse sich zunächst auf einem Tief befinden. Ein Blick auf das folgende Chart des Eurostoxx 50 zeigt aber auch, dass sich Börsenkurse contrair entwickeln können. Einige Länder in Europa haben sich immer noch nicht von der Krise 2007 erholt, der Eurostoxx 50 schon:
Broker mit ETF-Sparplänen im Vergleich »Die Zinsen
Bezüglich der Zinsen gilt die Betrachtung nicht nur der Zinsentwicklung während einer Rezession. Die Betrachtung sollte schon im Vorfeld ansetzen. Die Rede ist von der sogenannten Zinsstrukturkurve. Diese vergleicht die Renditen langlaufender Staatsanleihen mit kurzfristigen Papieren.
Eine alte Faustformel besagte, je länger die Laufzeit, um so höher die Rendite. Die Gegenwart besagt leider etwas anderes. Die Renditen der US-Schatzwechsel mit kurzer Laufzeit übersteigen aktuell die Renditen der Bonds mit 30 Jahren Laufzeit. Die Vergangenheit hat eines gezeigt: In sieben von neun Konstellationen dieser Art war die Konsequenz eine Rezession.
Allerdings spielen Zinsen auch während einer Rezession eine wichtige Rolle, oder sollten dies zumindest tun. Hohe Zinsen halten Privathaushalte und Unternehmen von der Kreditaufnahme für Investitionen ab.
Folglich senken die Zentralbanken die Leitzinsen, um den Geschäftsbanken günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten zu gewähren. Ziel ist, dass die Banken ihrerseits bei der Kreditvergabe die Zinsen senken, um die Kreditaufnahme anzukurbeln, damit neue Investitionen erfolgen.
Die Zinspolitik der Zentralbanken seit 2007 hat aber leider nur bedingt zu einem Erfolg geführt, die EZB hat ihr Pulver weitgehend verschossen. Trotz historisch niedriger Zinsen ist es nicht gelungen, Länder wie beispielsweise Italien oder Griechenland aus der Rezession zu führen.
Für Sparer bedeuten diese Zeiten, dass ihr Geld faktisch vernichtet wird, da die Inflationsrate nur selten unterhalb der Zinsen tendiert. Staaten können auf der anderen Seite ihre Haushalte durch die Kreditaufnahme teilsanieren.
Anleihen von Emittenten bester Bonität zahlen den Anlegern zwar einen Zinssatz, werden aber gleichzeitig zu einem Kurs oberhalb des Nennwertes ausgegeben. Ein Zinssatz von einem Prozent und ein Kurswert von 102 führen bei einer einjährigen Laufzeit zu einem Plus von einem Prozent für den Kreditnehmer. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kennt das Spiel.
Für Anleger ist die Zinsentwicklung während einer Rezession reines Gift. Während einer Rezession gilt auch nicht mehr die Formel „niedrige Zinsen = hohe Aktienkurse“ und umgekehrt.
Die Wirkungskette einer Rezession am Beispiel Coronavirus
Deutschland hat noch nicht den vollständigen Shut-down, einige Marktsegmente sind jedoch schon betroffen. Eine der deutschen Schlüsselindustrien, der Automobilbau, hat aus Gründen der Infektionsgefahr der Mitarbeiter die Reißleine gezogen und die Produktionsbänder angehalten. Da kaum ein Unternehmen über eine Pandemieversicherung verfügt, werden die Dividenden der nächsten Jahre vermutlich sinken.
Die Landwirte stehen vor der Herausforderung, dass für die personenintensive Spargel-, Erdbeer- und Rhabarberernte kein Personal vorhanden ist. Die Folge: Das Obst und Gemüse geht auf den Feldern kaputt, die Preise klettern aufgrund des knappen Angebotes. Der Preisanstieg wird allerdings nicht so hoch ausfallen, dass er die Investitionskosten in die Jungpflanzen und die Kosten für die Bewässerung auffängt.
Dazu kommt, dass die Jungpflanzen für das kommende Jahr schon gekauft sind, aber kein Personal für die Pflanzung zur Verfügung steht. Für einige Spargel- und Erdbeerbauern kann diese Situation ohne ausreichende staatliche Unterstützung das Aus bedeuten.
Ryanair ist für seine restriktive Lohnzahlung bekannt. Die irische Airline hat Stand 19. März 2020 rund 80 Prozent ihrer Flüge eingestellt. Für das Personal bedeutet dies faktisch Arbeitslosigkeit.
Ein ganz alltägliches Beispiel ist der Restaurantbesuch nach Feierabend. Dieser entfällt aktuell in Deutschland. Ein Restaurant, das nicht serviert, benötigt zunächst weniger Mitarbeiter oder diese nur noch in Kurzarbeit. Es benötigt auch weniger Lebensmittel als gewohnt, die Nachfrage im Großmarkt ist rückläufig. Der Großmarkt wiederum kauft weniger beim Erzeuger ein. Dem Erzeuger fehlt das Geld für Investitionen, privater oder geschäftlicher Natur. Er kauft keine neuen Rohstoffe, aber auch keinen neuen Fernseher. Der Fernsehhersteller muss weniger produzieren … Und alles nur, weil wir aufgrund eines Virus nicht mehr abends essen gehen dürfen.
Diese Dimension halten sich viele nicht vor Augen und vergessen, dass ein Ignorieren der öffentlichen Hinweise in der Fläche volkswirtschaftliche Konsequenzen hat.
Eine Rezession ist erfreulicherweise nur die Vorstufe zur Depression. Eine Depression bedeutet den Zusammenbruch der Produktion und Massenarbeitslosigkeit mit Außerkrafttretens der staatlichen Ordnung. Die Folge einer wirtschaftlichen Depression war schon mehr als einmal das Ende einer Regierung oder eines Regierungssystems.
Welche Lösungsansätze gibt es, um eine Rezession zu überwinden?
Einer der Wirtschaftswissenschaftler, der sich mit diesem Thema beschäftigt hat, war der Brite John Maynard Keynes (* 5.6.1883, +21.4.1946). Vereinfacht ausgedrückt, sieht Keynes den Staat als Wirtschaftsakteur in dem Moment in der Pflicht, in dem der Markt von sich aus kein Gleichgewicht mehr herstellen kann. Den Gegenpol zu Keynes stellte der US-Amerikaner Milton Friedman (* 31.7.1912, + 16.11.2006) dar. Friedman und seine „Chicago Boys“ waren strenge Verfechter eines Marktes, der sich selbst regulieren muss.
Beide, Keynes und Friedman, gelten heute noch als die beiden führenden Köpfe der Makroökonomie. Friedmans Ansatz der Selbstreinigungskräfte der Märkte ist die „blutigere“ Lösung.
Keynes dagegen sieht den Staat als Motor, wenn die Wirtschaft zum Erliegen kommt. Er stellt dabei keine staatlichen Hilfen für die Betroffenen in den Vordergrund, sondern sieht den Staat als aktiven Teilnehmer, der Aufträge vergibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um den Ausbau des Straßennetzes, den Wohnungsbau oder andere Bereiche geht. In seiner Auffassung sind vermehrte Staatsausgaben das Initial, welches von der geförderten Branche, beispielsweise Wohnungsbau, auf andere Branchen überspringt.
Ein Bauarbeiter, der plötzlich wieder vermehrt Aufträge durch staatliche Aktivitäten erhält, benötigt ein neues Baustellenfahrzeug. Der Bauingenieur, der sein Personal reduziert hatte, sucht aufgrund des neuen Auftrages wieder Mitarbeiter, benötigt zusätzliche Büroausstattung.
So, wie der Beginn der Rezession wie ein Dominoeffekt eine Branche nach der anderen erwischt, so kann im Umkehrschluss der Staat als Akteur in nur einem Marktsegment die anderen Wirtschaftsbereiche wieder nach oben mitziehen.
Die aktuelle Lage zeigt übrigens, dass es keine krisenfesten Branchen gibt. Was sarkastisch klingt, ist durchaus sehr ernst gemeint. Wer denkt, Pizza, Bordellbetrieb und Pietät geht immer, wird gerade eines Besseren belehrt. Selbst Beisetzungen dürfen nur noch in engstem Rahmen stattfinden.
Lese-Tipp: Quantitative Easing - Auswirkungen und Kritik
Informationen rund um das QE Programm der EZB und welchen Einfluss Quantitative Easing auf das Preisniveau in Europa und auf die Kreditvergabe hat. Artikel jetzt lesen... »
Zurück zum Tagesgeld-Lexikon