Sicherheit vor Rendite - Das Sparverhalten der Deutschen
Analyse der aktuellen Sparer-Umfrage 2019 der Bigbank. Im Gespräch: Martin Länts, CEO der estnischen Bigbank, zu den Eigenheiten deutscher Sparer und weshalb die Deutschen wirklich umdenken müssen
Wenn sich die Deutschen zwischen Rendite und Sicherheit entscheiden müssen, dann nehmen sie im Zweifel lieber die sichere Variante. Das bestätigt aktuell eine repräsentative Umfrage von YouGov Deutschland im Auftrag der Bigbank. Rund 49 Prozent der Befragten Teilnehmer gab dem Aspekt "Sicherheit" die höchste Priorität bei der Auswahl einer Geldanlage. Ebenfalls relevant: Flexibilität und Transparenz. Diese Faktoren wurden von 43 Prozent bzw. 36 Prozent mit hoher bis sehr hoher Priorität bewertet. Lediglich 30 Prozent der Teilnehmer setzte die höchstmögliche Rendite als Kriterium an erste oder zweite Stelle. Eher zu vernachlässigen ist der Zeitaufwand. Für 42 Prozent spielt jener eine untergeordnete Rolle. Insgesamt wurden 2.057 Personen ab 18 Jahren online befragt.
Im Bereich der beliebtesten Anlagen liegen Aktien und Aktienfonds mit 19 Prozent inzwischen vor Tagesgeldern (18 Prozent) und Sparbüchern (13 Prozent). Dahinter rangieren Immobilien bzw. Immobilienfonds (10 Prozent) sowie Festgelder mit acht Prozent. Apropos Festgeld: Diese Anlage ist speziell für ältere Anleger interessant. Elf Prozent der Befragten ab 55 Jahren würden sich derzeit am ehesten für Festgelder entscheiden. Im Bereich der 18 bis 24-Jährigen sowie der 25 bis 34-Jährigen sinkt der Wert auf drei bzw. vier Prozent. In Summe liegen die klassischen Sparanlagen weiterhin vor Wertpapieren.
Kaum relevant sind komplexere Wertpapieranlagen (Derivate, Optionsscheine, Zertifikate) oder P2P-Kredite.
Nach Auswertung von YouGov sind Männer durchaus aktienaffiner. Für 26 Prozent der Männer stellen Wertpapiere die attraktivste Form der Geldanlage dar. Bei Frauen gilt dies für nur zwölf Prozent.
Hauptgrund der Deutschen für die Bildung von Rücklagen sind unvorhergesehene Ausgaben (28 Prozent) oder um sich größere Konsumausgaben (Urlaubsreise oder Auto) zu leisten (24 Prozent). Die private Altersvorsorge kommt mit 25 Prozent nur auf einen eher niedrigen Wert. Mit 29 Prozent sorgt bei den Männern hier noch ein größerer Anteil für das Alter vor als bei Frauen, bei denen es nur 22 Prozent sind.
Über das Ergebnis der Umfrage sprach Tagesgeldvergleich.net nachfolgend mit Martin Länts, CEO des estnischen Festgeld-Anbieters Bigbank.
Interview
Wie interpretieren Sie die Ergebnisse Ihrer Umfrage? Wo sehen Sie sich bestätigt und was hat Sie überrascht?
Martin Länts: Insgesamt ist das Interesse der Deutschen an Sparprodukten auch 2019 weiter hoch. Das ist zwar nicht neu, aber es ist schon eine gewisse Überraschung im Niedrigzinsumfeld, wo Aktien als alternativlos proklamiert werden und neue Anlagemöglichkeiten florieren, z. B. P2P-Darlehen oder Krypto-Währungen. Unsere Umfrage zeigt aber, dass die Mehrheit der Deutschen bei der Geldanlage besonderen Wert auf Sicherheit legt. Für viele spielt ein möglichst hohes Renditepotenzial nur eine untergeordnete Rolle. Überspitzt gesagt strebt nun einfach einmal nicht jeder Sparer danach, der nächste Kostolany oder Buffett zu werden.
Negativ überrascht sind wir jedoch darüber, dass nur jeder vierte Befragte der privaten Altersvorsorge nachgeht. Dafür gibt es zwar viele mögliche Ursachen, aber eines ist klar: Diese Zahl ist im Hinblick auf die demografische Entwicklung in Europa und Deutschland beunruhigend.
Inwieweit sind die Deutschen noch vorbildlich, wenn es ums Sparen geht und was müssen wir neu lernen?
Martin Länts: Die Deutschen sind beim Sparen nur bedingt Vorbilder. Während viele Geld beiseitelegen, spart nur jeder vierte Mensch für das Rentenalter. Das sind in etwa ebenso so viel wie Befragte, die Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben oder für größere Konsumausgaben wie ein Auto bilden. Letztendlich sind das legitime Spargründe, aber in einer optimalen Welt würden deutlich mehr Menschen private Altersvorsorge betreiben. Wer in Zukunft in Rente gehen will, muss aufgrund einer alternden Bevölkerung mit einem niedrigeren Rentenniveau rechnen als heute.
Wir sind daher der Meinung, dass ein Großteil der Sparer fundamental umdenken und lernen muss, seine individuellen Gründe und Ziele für das Sparen kritisch zu hinterfragen und eventuell auch zu überdenken. In der Realität wird diese Frage nach dem "Warum" jedoch oft übersprungen und die Sparer springen direkt auf das "Wie" zu. So überlegen viele planlos, in welche Anlageklasse sie investieren sollen.
Bemerkenswert: Aktien und Aktienfonds liegen in Ihrer Umfrage auf dem 1. Platz. Hat sich das Anlageverhalten der Deutschen in den letzten Jahren geändert?
Martin Länts: Tatsächlich erscheint die hohe Popularität von Aktien und Aktienfonds vergleichsweise hoch, gerade da die tatsächlichen Aktionärsquoten in Deutschland in Wirklichkeit vergleichsweise niedrig sind. Wichtig ist jedoch, dass wir nicht nach dem tatsächlichen Eigentum gefragt haben, sondern nach der Anlageform, welche die Befragten im Moment höchstwahrscheinlich wählen würden. Interessanterweise scheinen unsere Fragen zum Anlageverhalten und zu den Bedürfnissen der Anleger ein widersprüchliches Bild zu zeichnen. Bei der Wahl der geeigneten Fondsanlage achtet die Mehrheit der Deutschen nicht auf die reine Rendite, sondern auf "Sicherheit" und "Flexibilität". Wir interpretieren diesen vermeintlichen Widerspruch so, dass das anhaltend niedrige Zinsumfeld zwar die Attraktivität der Aktien stärkt, die Grundbedürfnisse der Deutschen bei der Anlage jedoch eher ihrem Image als sicherheitsbewusste Sparer entsprechen, was sich auch in ihrem tatsächlichen Anlageverhalten widerspiegeln könnte.
Übrigens, wenn man die Antworten auf die Frage nach den attraktivsten Anlagemöglichkeiten in Tages- und Festgeldern hinzufügt, erhält man 26 Prozent – das ist mehr als die Beliebtheit von Aktien und Aktienfonds mit 19 Prozent.
Inwiefern haben sich die Deutschen inzwischen daran gewöhnt, dass sie solide Zinsen in erster Linie im europäischen Ausland erhalten? Spiegelt sich das im Verhalten wider?
Martin Länts: Aufgrund unseres wachsenden Kundenstamms in Deutschland glauben wir, dass die Bereitschaft, mehr Interesse über die Landesgrenzen hinweg zu suchen, in den letzten zehn Jahren sicherlich zugenommen hat. Die Einführung EU-weiter Normen für den Einlagenschutz war dabei sicherlich einer von vielen wichtigen Faktoren. Wir sehen jedoch noch Aufwärtspotenzial. Unserer Umfrage zufolge konzentriert sich die breite Mehrheit der Deutschen bei der Wahl der Bank nach wie vor auf inländische Anbieter. Für uns als estnische Bank ist gerade das ein Anreiz, denn wir sind überzeugt, dass der "physische" Standort einer Bank im digitalen Zeitalter immer unwichtiger wird: Heute ist vor allem entscheidend, den bestmöglichen Service zu bieten. Bei einer ausländischen Bank zu sparen, darf keine Nachteile für den Kunden mit sich bringen. Eine Website, eine Bankenplattform und ein Kundenservice in deutscher Sprache sind dafür obligatorisch. Entscheidend sind aber auch Online-Dienste, die nahtlos und jederzeit zugänglich sind. Genau daran haben wir in der Vergangenheit aktiv gearbeitet und wollen unsere Bemühungen intensivieren, um immer mehr deutsche Sparer für unsere Dienstleistungen zu gewinnen.
Hintergrund: BigbankDie estnische Bigbank besteht seit 1992 und hat sich auf Festgelder und Verbraucherkredite spezialisiert. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Tartu entwickelte sich seither zu einer der profitabelsten Banken im Baltikum und unterhält Filialen in Estland, Lettland, Litauen, Finnland, Schweden und Spanien. Über die Anlagen in Deutschland können sich Kunden hier informieren.