Die soziale Wirkung ist Teil der Rendite
Nachhaltige Banken in der Niedrigzinsphase - unser Interview mit Andreas Fiedler, Leiter Institutionelle Kunden und Portfolioberatung der GLS Bank
Derzeit sind die Sparzinsen fast aller Banken ernüchternd niedrig. Kunden, die sich für nachhaltig orientierte Institute wie die GLS Bank entscheiden, sind aber offensichtlich weniger an diesen Zinsen interessiert - teilen Sie diese Ansicht?
In gewisser Weise. Wenn wir einen Blick auf die Entwicklung der GLS Bank werfen, vertrauen uns inzwischen 210.000 Kunden. Monatlich verzeichnen wir zudem einen Zuwachs von rund 2.000 Neukunden. Sozial-ökologische Aspekte bewegen sie mehr als der Zins.
Wir werben sicherlich nicht mit den niedrigsten Kreditzinsen oder den zinstechnisch 'sexiesten' Anlagen im ökonomischen Sinne. Stattdessen bieten wir Sinnstiftendes, z. B. Investments in Wind-, Wasser- und Solarenergie. Bei unseren Anlagen steht die finanzielle Rendite nicht im Vordergrund, sondern was mit dem Geld letztlich bewirkt wird. Die soziale Wirkung ist insofern Teil der Rendite.
Wie visualisieren Sie den Kunden diese soziale Wirkung?
Den 'Impact', also die Auswirkungen eines sozialen Investments, messbar zu gestalten, ist eine immense Herausforderung. Es gibt einige Ansätze und wir arbeiten intensiv an solchen Modellen. Was wir bereits heute sehen, sind die absoluten Zahlen. Betrachten wir beispielsweise den GLS AI - Mikrofinanzfonds. Insgesamt haben unsere Kunden mehr als 65 Millionen Euro in diesem Bereich zur Verfügung gestellt, die wiederum durch rund 40 Mikrofinanzinstitute an ca. 22.000 Endkreditnehmer in den verschiedenen Regionen weitergereicht wurden. Anhand von Beispielen aus den entsprechenden Regionen lässt sich wiedergeben, was sich mit dem Investment bewegen ließ.
Die Mitgliedschaft bei der GLS Bank kostet seit kurzem Geld. Monatlich gibt es eine Gebühr von 5,00 Euro. Für das Girokonto der GLS Bank sind zudem Kontoführungsgebühren von 3,80 Euro veranschlagt. Das summiert sich im Jahr. Trotzdem haben Sie einen hohen Kundenzulauf. Wie sieht der typische Kunde der GLS Bank aus?
Unsere Kundschaft bildet ein breites Spektrum der Gesellschaft ab – von jungen, ökologisch motivierten Menschen bis hin zum klassisch-bürgerlichen Kunden. Ein Hauptaugenmerk liegt wohl in dem Gedanken ein wenig zurückzugeben. Nicht nur von u.U. hohem Kapitalvermögen, sondern auch durch die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung. Unsere Kunden unterstützen die GLS Bank, weil wir am Ende des Tages durch die besondere Art der Geldanlage gemeinsam eine bessere Welt und ein besseres Umfeld entwickeln wollen.
Wie wichtig ist ihren Kunden die Transparenz ihrer Investments?
Es ist häufig das entscheidende Kriterium! Wir sind uns bewusst, dass die Dinge, die uns bewegen und die Kosten, die entstehen, dem Kunden transparent gemacht werden müssen. Unsere Kreditlisten und Investitionsberichte werden von unseren Kunden intensiv gelesen und kommentiert.
Inwiefern unterscheidet sich die GLS Bank von normalen Banken?
Sie können entscheiden, in welcher Branche wir ihr Geld einsetzen sollen. Mit unserer sozial-ökologischen Ausrichtung sind wir Pionier für nachhaltigen Wandel. Wir setzen uns mit den Widersprüchen es Alltags auseinander und bieten unseren Kunden z. B. die Möglichkeiten, hier mit uns zu diskutieren. Die GLS Bank bietet Plattformen in Filialen und Begegnungsstätten, um Diskussionen zu führen. Kurzum: Wir treiben Veränderungsprozesse aktiv voran und binden unsere Mitglieder unmittelbar mit ein. Aktuelle Diskussionen drehen sich beispielsweise um die Wachstumsbranche 'Mikrofinanz' und 'finanzielle Inklusion'.
Nachhaltige Banken in der ÜbersichtLegen Sie ihr Geld als Tagesgeld, Festgeld oder Sparbriefe bei nachhaltigen Banken an und profitieren Sie von einer sozialen Rendite...mehr erfahren
Inwieweit wirkt sich die Niedrigzinsphase auf das Geschäft der GLS Bank aus?
Hinsichtlich unseres Geschäftsmodells sind wir stabil aufgestellt. Als wichtigstes Stichwort wäre hier die "sozial-ökologische Finanzierung" zu nennen. Nichtsdestotrotz ist es kein Geheimnis, dass das anhaltende Niedrigzinsumfeld eine Herausforderung für uns und andere Banken darstellt. Auch wir besitzen Überhänge an Liquidität. Dass die Europäische Zentralbank diese Liquidität mit negativen Zinsen belegt, wissen alle.
Wir verwalten mit tragfähigen Anlagen das treuhänderische Geld unserer Kunden. Das gelingt bisher recht gut. Ich bin mir auch sicher, dass unser Geschäftsmodell zukunftsfähig ist. Wenn ich mir allerdings etwas wünschen dürfte, wäre es ein leicht höheres Zinsniveau am kurzen Ende – idealerweise leicht über Null.
Wir haben uns auch Gedanken gemacht, ob wir diese Aspekte, die uns so besonders machen, bzw. die damit verbundenen Kosten in irgendeiner Form in der Preisgestaltung erfassen können und sind mit dem Vorschlag des GLS-Beitrags an unsere Mitglieder herangetreten.
In der Abstimmung haben wir mit über 78 Prozent eine hohe Zustimmung erhalten. Der gesamte Prozess gibt uns Mut, denn wir sehen auch, dass es bemerkenswert wenig Kündigungen gegeben hat.
Viele Stimmen haben gefragt, wie es sich eine Bank leisten kann eine Art Beitrag einzuführen? Wir sagen: Der Beitrag macht uns ein Stück weit unabhängiger. Der GLS-Beitrag ist eine Säule neben Einkünften aus der Zinsmarge und Erträgen im Bereich des Zahlungsverkehrs.
Es würde wahrscheinlich bereits genügen, wenn sich der Einlagenzins der EZB wieder in Richtung Null bewegt.
Es würde uns zumindest nicht beschädigen.
Ist mehr Risiko eine Option, um mit den Niedrigzinsen umzugehen?
Nein. Der verantwortungsvolle Umgang mit den Geldern unserer Kunden ist und bleibt das Ziel. Wir als Bank bringen das Geld dahin, wo es gebraucht wird. Es gibt Bereiche, in denen wir vertretbare Risiken eingehen, weil wir sie sie einschätzen können. Aber wir werden sicherlich nicht die Risiken erhöhen, um ein tragfähiges Geschäftsmodell zu haben.
Wie wichtig sind Themen wie Crowdfunding und Robo-Advice für die GLS Bank?
Ich denke, dass es immer wichtig bleibt, eine persönliche Beratung zu ermöglichen. Wir sehen aber natürlich die zunehmende Digitalisierung des Finanzgeschäftes und den Trend zu mehr 'Selbstentscheidern'.
Wir haben uns den Themen gestellt und besitzen mittlerweile eine eigene Crowdfunding-Plattform, die sich gut entwickelt. Die ersten beiden Projekte waren in Windeseile voll platziert. Hinsichtlich des FinTech-Trends zu Robo-Advice-Anlagen verfolgen wir im Augenblick den Markt.
Was wir noch nicht gesehen haben, ist ein sozial-ökologisch bzw. ethischer motivierter Robo-Advice-Anbieter? Eine Marktnische?
Selbstverständlich gibt es Überlegungen, ob sich diese Aspekte zum integralen Bestandteil einer Maschine machen lassen – z. B. indem ein Nachhaltigkeitsfilter vorgeschaltet sind. Wir sind an diesen Themen dran. Kernziel bleibt allerdings, die persönliche Beratung all unseren Kunden zu ermöglichen. Denn derzeit sehen wir nicht, dass Maschinen die Aspekte einer individuell abgestimmten Beratung ersetzen können.
Ihre Zinsprognose 2017?
Wir werden dieses Jahr keine große Veränderung erleben. In den USA haben wir gesehen, dass die Notenbank ihre Zinsschritte sehr langfristig angekündigt hat. Derartige Zeichen erwarten wir auch von der EZB. Aktuell blicken wir aber eher einer Seitwärtsbewegung entgegen.
Hintergrund Die GLS Bank ist eine Genossenschaftsbank mit Sitz in Bochum. Gegründet 1974 bietet sie sozial-ökologische Geldanlagen und Finanzierungen von nachhaltigen Unternehmen bzw. Projekten. Mehr zum Hintergrund der Bank findet sich in unserem Artikel zu nachhaltigen Banken.