Interview mit Christoph Freytag, Vorstand der ProCredit Bank
ProCredit-Interview: "In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind wir die Hausbank für kleine Unternehmen"
Kunden der ProCredit Bank sorgen mit ihren Einlagen dafür, dass kleine und mittelständische Unternehmen in mehr als 20 Entwicklungs- und Schwellenländern von fairen Krediten profitieren. Wie sich das Geschäftsmodell von dem "normaler" Banken unterscheidet und welche Unternehmen vor Ort unterstützt werden, erklärt Christoph Freytag, Vorstand der ProCredit Bank im Interview.
Sparen bei der ProCredit Bank ist eine etwas andere Geldanlage - inwiefern würden Sie diesen Satz unterschreiben?
Christoph Freytag: Insofern, dass unsere Kunden in Deutschland mit ihrer Geldanlage bei uns verantwortungsbewusste Unternehmens-Finanzierungen in Entwicklungs- und Schwellenländern und damit die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung in diesen Ländern unterstützen. Wir sind eine entwicklungsorientierte Bank, die wirtschaftliche und ökologische Verantwortung ernst nimmt. Wir möchten die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung in Ländern, in denen der Lebensstandard bei Weitem nicht so hoch ist wie in Deutschland, mit voranbringen. Mit den bei uns angelegten Mitteln refinanzieren wir die ProCredit Banken weltweit.
In ihren Ländern setzen die ProCredit Banken hohe Standards in Sachen Transparenz und gutem Kundenservice. Wir investieren außerdem stark in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter und haben damit in Ländern, in denen Vertrauen in den Bankensektor absolut keine Selbstverständlichkeit ist, langfristige Kundenbeziehungen geschaffen.
Wie sieht das Geschäftsmodell der ProCredit Bank aus?
Christoph Freytag: In Deutschland bieten wir Tages- und Festgeldkonten für Privat- und Geschäftskunden. Darüber hinaus finanzieren wir Unternehmen, die Bezug zu einem der Länder unserer Geschäftstätigkeit haben ebenso wie Unternehmen aus diesen Ländern. Wir sind auch für nachhaltig orientierte Unternehmen ein interessanter Partner. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind wir Hausbank für KMUs sowie für Sparer mit kleinen und mittleren Einkommen.
Unser Alleinstellungsmerkmal ist wohl, dass wir Spezialisten für die Unternehmensfinanzierung in Entwicklungs- und Schwellenländern und damit wirklich international sind. Wir engagieren uns seit mehr als 10 Jahren weltweit. Unser Angebot ist bewusst einfach und damit für jedermann verständlich. Außerdem konzentrieren wir uns auf das Kerngeschäft und verzichten auf jede Art von Spekulationen. Wir verfolgen einen wertebasierten Geschäftsansatz sowie eine am dauerhaften Erfolg ausgerichtete Unternehmensstrategie mit moderater Eigenkapitalrendite.
Nach welchen Kriterien vergeben Sie Kredite? Was ist wichtiger: Ein tragfähiger Businessplan oder eine ökologische Ausrichtung eines Projekts?
Christoph Freytag: Hier ist klar zu sagen, dass wir keine Bank sind, die nur auf ökologisch ausgerichtete Projekte konzentriert ist. Dies wäre in vielen Ländern, in denen wir tätig sind, so auch nicht umzusetzen. In Ländern wie Armenien, Mazedonien oder Bolivien lassen sich nicht dieselben strengen ökologischen und sozialen Kriterien wie in Deutschland anlegen. Wir finanzieren im Prinzip jeden zuverlässigen und zahlungskräftigen Unternehmer, entscheiden aber auch unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte. Wir stellen also über die Kreditprüfung sicher, dass die geschäftlichen Aktivitäten des Kunden die Umwelt nicht unverantwortlich gefährden, soziale Mindeststandards eingehalten werden und sich nicht auf unserer Ausschlussliste befinden.
An erster Stelle steht bei den ProCredit Banken die umfängliche Kreditanalyse. Wie sehen die Vermögensverhältnisse und die Zahlungsfähigkeit des Kunden aus? Wie steht es mit der Zuverlässigkeit des Unternehmers und der Tragfähigkeit seines Geschäftsmodells? Mit dieser sehr verantwortungsbewussten Kreditvergabe vermeiden wir erstens die Überschuldung von Kunden. Zweitens sinkt das Risiko, dass ein Kredit nicht zurückgezahlt wird.
Weshalb verzichtet die ProCredit Bank auf Mikrokredite?
Christoph Freytag: Seit 2005 haben wir uns schrittweise von der Mikrokreditvergabe verabschiedet, da wir nicht mehr davon überzeugt sind, dass Märkte mit Mikrofinanzierung verantwortlich finanziert werden können.
Der entwicklungspolitische Nutzen von Mikrokrediten ist wissenschaftlich stark umstritten. Sicher ist, dass Mikrofinanzierung gut reguliert sein muss, Anbieter institutionell sehr gut aufgestellt sein müssen und die Finanzierung von Konsum vermieden werden muss.
80 Prozent unseres Geschäftes findet in Südosteuropa statt. Dort haben sich die Märkte in den letzten 10 Jahren stark verändert. Die informellen Unternehmen von früher haben sich entwickelt. Informelle selbstständige Tätigkeiten und deren Finanzierung dienen meist dem puren Überleben und führen damit kaum zu einer Weiterentwicklung der Wirtschaftsstruktur der Länder und Schaffung von Arbeitsplätzen.
Konsumentenkredite gibt es heutzutage buchstäblich an jeder Straßenecke und diese fördern oft die Überschuldung der Menschen. Wir sehen in der Finanzierung von sehr kleinen, kleinen und mittelgroßen Unternehmen einen eindeutig positiven Beitrag für die wirtschaftliche Weiterentwicklung von Volkswirtschaften und vergeben Kredite an sehr kleine Unternehmen heutzutage in der Regel ab einer Höhe von 10.000 Euro. Wir sind aber auch stark in der Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen engagiert.
Sie sind auch in Deutschland im Kreditbereich aktiv. Wie hat sich das Geschäft hierzulande entwickelt?
Christoph Freytag: In der heutigen Zeit des "billigen Geldes" ist es nicht leicht ein Kreditgeschäft neu aufzubauen. Wir sind jedoch zufrieden mit der Entwicklung seit unserem Geschäftsstart Anfang 2013. Wir finanzieren bereits erfolgreich mittelgroße Unternehmen, die Kunden der ProCredit Bank Bulgarien, Rumänien oder Serbien sind, sowie Unternehmen und Organisationen, die von Deutschland aus in einem der Länder der ProCredit Bank aktiv sind. Darüber hinaus haben wir Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien finanziert. Außerdem finanzieren wir die ProCredit Bank weltweit und damit indirekt viele, viele kleine Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Mit der Erholung der Sparzinsen wird nicht vor 2016 gerechnet. Wie sehr beeinflusst das ihr Geschäftsmodell?
Christoph Freytag: Die anhaltende Niedrigzinsphase stellt unser Geschäftsmodell nicht in Frage. Wir verfolgen weiter die von uns gesteckten Ziele, erreichen sie jedoch bedingt durch die momentane wirtschaftliche Situation etwas verzögert.
Ein Blick nach vorne: Wann bringen Sie Kunden ein Girokonto?
Christoph Freytag: Nächstes Jahr. Dieses Jahr werden wir mit der Entwicklung unseres erweiterten Internet-Bankings fertig, werden ein Kartenangebot schaffen und auch die letzten noch ausstehenden Arbeiten im Zusammenhang mit SEPA erledigen. Danach werden wir das Konto gründlich testen – intern und im Kreise von unseren Angestellten. Erst wenn wir wirklich überzeugt sind, ein Qualitätsprodukt zu haben, gehen wir damit an die Öffentlichkeit. Mit diesem Konto werden unsere Kunden übrigens schnelle und kostengünstige Auslandsüberweisungen in die Länder der ProCredit Gruppe tätigen können. Dieses Konto wird sehr attraktiv sein für in Deutschland lebende Menschen, die aus einem der Länder kommen, in denen die ProCredit Bank tätig ist.
Interview: Mario Hess - 22.07.2014