Strafzinsen, negative Zinsen oder Verwahrentgelte? Beispiele und kreative Maßnahmen
Für die meisten Banken und Finanzinstitute gilt offensichtlich die Annahme, dass die Einführung von negativen Zinsen bzw. Strafzinsen für Kunden erträglicher wird, wenn sie anders genannt oder berechnet werden.
Entsprechend greifen manche Institute zum Mittel der Kontoführungsgebühr, um die entstehenden Kosten an Privatkunden durchzureichen. Nachfolgend haben wir diese Variante an einem Beispiel erklärt. Ein weiterer Fall beschäftigt sich mit "prophylaktischen Strafzinsen", die eher in die kuriose Rubrik gehören.
Strafzins für Kleinsparer durch Kontoführungsgebühr auf Tagesgeld
Die Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG verlangt seit Anfang November 2016 faktisch Strafzinsen von ihren Tagesgeldneukunden. Zwar wird weiterhin mit einer Verzinsung des VR Flexgelds von 0,01 % geworben, allerdings fallen gestaffelte Kontoführungsgebühren an - bis zu 50,00 Euro monatlich. Nachfolgend haben wir berechnet, wie viel diese Gebühr den entsprechenden Neukunden im Jahr kostet. Die Bank erklärte den Schritt damit, dass sie "keine Trittbrettfahrer anlocken [wollen], die nur zu uns kommen, um woanders Gebühren zu vermeiden." Ursprünglich galt die Gebühr übrigens für alle Kunden, wie unser Screenshot belegt. Erst nachträglich wurde eine Anpassung auf Neukunden vorgenommen.
Kreditinstitut | Negativzins seit/ab | Guthaben bis | Zinssatz p.a. | Konto- führungs- gebühr p.M. |
Konto- führungs- gebühr p.a. |
Real- verzinsung p.a. |
Realrendite p.a. |
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Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG | 11/2016 | 1.000 € | +0,01% | 5,00 € | 60,00 € | -6,00% | -59,90 € |
5.000 € | +0,01% | 5,00 € | 60,00 € | -1,20% | -59,50 € | ||
10.000 € | +0,01% | 5,00 € | 60,00 € | -0,60% | -59,00 € | ||
25.000 € | +0,01% | 10,00 € | 120,00 € | -0,48% | -117,50 € | ||
50.000 € | +0,01% | 10,00 € | 120,00 € | -0,24% | -115,00 € | ||
100.000 € | +0,01% | 25,00 € | 300,00 € | -0,30% | -290,00 € | ||
500.000 € | +0,01% | 50,00 € | 600,00 € | -0,11% | -550,00 € | ||
6.000.000 € | +0,01% | 50,00 € | 600,00 € | 0,00% | 0,00 € |
Wie sich die Gebühren der VR Bank Niederschlesien für Neukunden auswirken würden, die dort ein VR FlexGeld Tagesgeldkonto eröffnen würden, zeigt unsere Infografik:
Kurioses: "Prophylaktische" Strafzinsen bei der Volksbank Reutlingen - erst da, dann wieder weg
Ein Fall aus dem Kuriositätenkabinett der Finanzen: Die Volksbank Reutlingen änderte Mitte Mai 2017 ihren Preisaushang und belastete Inhaber eines Tagesgeldkontos (VR-FlexOnline) ab einem Anlagebetrag von 10.000 Euro mit einem Strafzins von -0,50 %. Anfang Juni 2017 wurde diese Änderung im Rahmen eines Presseartikels bundesweit thematisiert, was dazu führte, dass die Bank sich zu einer Stellungnahme genötigt sah. In einem Statement heißt es, dass die "Volksbank Reutlingen derzeit keine Negativzinsen von Privatkunden [erhebt]". "Wie andere Banken auch, führen wir mit einigen unserer vermögenden Kunden, Privat- und vor allem Firmenkunden, Gespräche über die Einführung von 'Verwahrentgelten' für hohe Einlagenwerte über 500.000 Euro", so die Sprecherin der Volksbank.
Besonders denkwürdig fiel allerding die folgende Äußerung aus: "Die Änderung im Preisaushang unserer Privatkonten und das Tagesgeldkonto betreffend, sind rein prophylaktischer Natur." Für diesen Standpunkt dürften vor allem Verbraucherschützer kein Verständnis haben, da Preisaushänge klar und wahr sein müssen. Sie sind die Grundlage der Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Bank. "Sie dürfen den Kunden nicht irreführen", erklärte Kay Görner, Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Sachsen (siehe Süddeutsche Zeitung).
Update: Volksbank Reutlingen zieht Verwahrentgelt für Privatanleger zurück
Nach öffentlicher Kritik und einer Abmahnung durch die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat die Volksbank Reutlingen den Preisaushang später im Jahr überarbeitet. Für Privatkunden sind keine negativen Zinsen mehr vorgesehen. Lediglich für Großanleger wird der Zinssatz weiterhin individuell vereinbart.